Abordnungen zu den Flughäfen in Berlin und Frankfurt/Main sowie – wegen der Flüchtlingskrise – auch nach Süddeutschland haben die Dienststellen der Bundespolizei an der Grenze zu Polen personell ausbluten lassen. Dort werden immer weniger Streifen gegen Schleuser und illegale Einwanderer durchgeführt.
Ein Aufschrei der Bundespolizeigewerkschaft und ein eigentlich vertraulicher Lagebericht aus Frankfurt (Oder) haben es öffentlich gemacht: Die Bundespolizei ist an der Grenze zu Polen derzeit nur noch bedingt einsatzfähig. Offiziell wurde dies zwar auch am Montag noch vom stellvertretenden Leiter der Inspektion Frankfurt (Oder) bestritten, dessen Chef derzeit sinnigerweise auch für drei Monate nach Berlin abgeordnet ist. Die Zahlen, die der Vorsitzende der Bundespolizeigewerkschaft Berlin/Brandenburg, Axel Bonitz, nennt, sprechen jedoch eine andere Sprache.
„Laut der jüngsten Reform, die nach dem Beitritt Polens zum Schengener Abkommen durchgeführt wurde und damals schon mit einer erheblichen Stellenreduzierung verbunden war, gibt es in den Inspektionen Frankfurt (Oder) und Angermünde insgesamt 474 Dienststellen im Kontroll- und Streifendienst“, erläutert Bonitz. So viele Männer und Frauen sollten eigentlich den rund 200 Kilometer langen Grenzabschnitt zwischen dem Südosten des Landkreises Oder-Spree und dem Nordosten der Uckermark überwachen. Seit der Abschaffung der stationären Grenzkontrollen Ende 2007 erfolgt dies im Rahmen der Binnenfahndung.
„Tatsächlich sind durch die Nichtneubesetzung der Stellen von Kollegen, die in den Ruhestand gegangen sind, und durch die Abordnungen sowie Dauererkrankungen nur noch 240 Kollegen da. Und davon müssen Sie noch Krankheit, Urlaub und Lehrgänge abziehen“, so Bonitz. In vielen Bereichen werde höchstens noch eine Streife pro Dienstschicht gefahren. Wenn diese dann auf illegale Einwanderer trifft und die Leute zunächst erkennungsdienstlich bearbeiten und dann auch noch in die Aufnahmeeinrichtung nach Eisenhüttenstadt bringen muss, ist niemand mehr da. „Wenn man es drastisch formuliert, kann man sagen: Die Grenze ist offen“, so Bonitz.
Weil jedoch schon seit einigen Wochen wieder mehr illegale Einwanderer – der Großteil aus Tschetschenien – festgestellt werden, schlägt man nun intern Alarm. Auch, weil man von polnischer Seite die Information erhalten hat, dass dort in jüngster Zeit zwei Drittel mehr Tschetschenen Asylanträge gestellt haben, wovon allerdings erfahrungsgemäß 90 Prozent versuchten, sich weiter in Richtung Deutschland durchzuschlagen. Jeden Monat würden allein auf der Autobahn 12 nach Berlin bis zu 150 Tschetschenen gefasst, sagt Bonitz. Wie hoch die Dunkelziffer der nicht gefassten sei, könne nur vermutet werden.
Durch diese Informationen alarmiert, machten sich der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Koeppen und sein Kollege Christian Ehler aus dem Europaparlament am Montag ein Bild in der Inspektion Angermünde. „Wir haben in Zeiten, in denen es nicht wehzutun schien, an der falschen Stelle gespart“, räumte Koeppen nach den Gesprächen mit den Beamten ein.
Wegen der Terrorgefahren in großen Städten, erhöhter Sicherheitsvorschriften bei der Bahn und auf den Flugplätzen und eben auch durch die Flüchtlingskrise sei die Bundespolizei an der Grenze immer weiter ausgedünnt worden. „Dass das ein Fehler war, müssen wir jetzt ganz offen so sagen“, erklärte Koeppen. Selbst die 3000 neuen Stellen, die von der großen Koalition in Berlin bereits für die Bundespolizei beschlossen wurden, würden nicht ausreichen. Außerdem sei es schwierig, jetzt überhaupt dieses Personal zu finden.
„Dies werde ich den Kollegen im Innen- und Haushaltsausschuss auch so erklären“, versprach der Bundestagsabgeordnete am Montag. Kurzfristig ändern lässt sich dadurch freilich erst mal nichts.
Quelle: www.moz.de vom 14.06.16